Schritt für Schritt zu einem solidarischen Europa
von Otto Lüdemann
Vorbemerkung
Es mag hilfreich sein, den folgenden Beitrag – in gebotener Kürze – in den Kontext der aktuellen Entwicklung der europäischen Grundeinkommensbewegung zu stellen. Leser des Fromm-Forums erinnern sich vielleicht, dass wir im vergangenen Jahr über eine „Europäische Bürgerinitiative“ zum Thema des Bedingungslosen Grundeinkommens berichteten, d.h. über einen ersten Versuch, die Europäische Kommission mit dieser Idee zu befassen.
Nach den Regularien dieses seit 2012 in der EU etablierten Instruments direkter Demokratie wäre das auch eingetreten, wenn die Initiative innerhalb eines Jahres mehr als eine Million Unterschriften auf sich vereinigt hätte. Leider ist das so nicht gelungen – es waren am Ende etwa 300.000 Unterschriften. Ein anderes Ziel wurde erreicht, nämlich eine erhebliche Steigerung des europaweiten Bekanntheitsgrades der Idee des Grund-einkommens. In der gegenwärtigen Situation ist dem vielleicht sogar mehr Gewicht beizumessen. Waren doch noch beim Start der Initiative im Januar 2013 Vertreter aus „nur“ 15 EU-Ländern im offiziellen „Bürgerausschuss“ vertreten, während es ein Jahr später bereits Vertreter aus 25 der insgesamt 28 EU-Staaten waren, darunter alle wichtigen bevölkerungsreichen Länder.
Dieses ermutigende Ergebnis führte im April 2014 dazu, dass sich in Brüssel ein „Europäisches Grundeinkommens-Netzwerk“ gründete, und zwar unter der englisch-sprachigen Bezeichnung „Unconditional Basic Income Europe“ (U.B.I.E.). Als Zwischenglied zwischen dem globalen „Basic Income Earth Network“, das alle zwei Jahre einen „Weltkongress“ durchführt (das nächste Mal 2016 in Seoul) und den diversen weltweit existierenden nationalen Netzwerken, hat es sich zum Ziel gesetzt, die mit der Europäischen Bürgerinitiative begonnene Arbeit fortzuführen. So entstand im Rahmen von U.B.I.E. u.a. die Idee eines Projekt-Antrags an das EU-Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ mit dem Titel: „UBI in Europe – Promoting Civil Society“. Für den Fall der Bewilligung des Antrags stünden dem Netzwerk ab Januar 2015 110.000,- € zur Verfügung, um im Laufe von 14 Monaten 5 Internationale Treffen in verschiedenen europäischen Ländern durchzuführen. Die Koordination des Projektes würde in den Händen des Hamburger Netzwerkes Grundeinkommen liegen. Auch im Falle der Nicht-Bewilligung sollen die Treffen stattfinden, wenn auch zwangsläufig dann mit einer weniger ambitionierten Zielsetzung.
Thesen
Es gibt zwei wirklich gravierende „Skandale“ im aktuellen Europa:
(1) Eine doppelte Schere zwischen Arm und Reich, nämlich die zwischen armen und reichen Menschen und die zwischen armen und reichen Ländern,
(2) Die für beides verantwortliche, global agierende Finanzelite, die aus purer Geld- und Machtgier inzwischen das historisch einzigartige europäische Einigungsprojekt gefährdet.
Skandal Nr.1 muss hier nicht näher belegt werden. Er springt uns seit Jahr und Tag auf der Straße und aus den alltäglichen Nachrichten entgegen.
Skandal Nr.2 wird immer evidenter für Menschen, die genau hinschauen. Symptome sind z.B.:
− die drohende soziale Explosion als absehbare Folge krisenbedingter Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa,
− die europaweiten Erfolge der Rechtspopulisten bei Wahlen,
− aktuell die angekündigte Totalverweigerung der britischen Regierung bezüglich der legitimen Milliarden-Nachforderung zum EU-Haushalt, womit sie sich selbst als „Geisel“ der Londoner Finanzindustrie entlarven dürfte.
Aus all dem und vielem mehr ergibt sich für Europa dringender Handlungsbedarf, denn es geht nicht mehr um die Bewältigung einer vorübergehenden Krise, sondern um eine tief gehende existenzielle Bedrohung.
Dazu hier eine weitere These:
(3) Nur die Fortführung des europäischen Einigungsprojekts kann für alle Menschen in Europa Frieden, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit garantieren.
Dafür aber sind radikale Systemänderungen erforderlich: Neben Prävention von Klimawandel und Vermeidung von Umweltzerstörung u.a. radikale Reformen des Geld- Banken- und Steuersystems. Gegenstand meines Beitrags hier ist das Steuersystem, konkret die Besteuerung des Konsums. Das darin liegende, m.E. bisher unterschätzte Potenzial für die Lösung drängender sozial- und europapolitischer Probleme gilt es auszuloten. Ich stelle dazu noch kein im Detail durchgerechnetes Konzept vor, möchte jedoch einen Reformprozess in mehreren, überprüfbaren Stufen anregen, der m.E. den genannten Herausforderungen auf europäischer Ebene am besten gerecht wird.
Aspekte einer Besteuerung von Einkommen und Konsum1
Bekanntlich ist die Mehrwertsteuer, also die bekannteste Form der Besteuerung des Konsums, für viele ein rotes Tuch. Das Argument der Kritiker lautet: Besteuerung des Konsums treffe vor allem bedürftige Menschen, die den größten Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen ausgäben (sog. „Menschen mit einer hohen Konsumquote“). Wenn der Staat Geld für Sozialleistungen brauche, solle er Vermögenssteuern wieder einführen und/oder Einkommenssteuern erhöhen; damit beteilige er auch Reiche und Superreiche an der Finanzierung des Sozialstaats.
Die Vermögenssteuer würde zwar die Reichen treffen, das damit zu erzielende Steuer- aufkommen würde allerdings zur Finanzierung von umfassenden Sozialleistungen nicht ausreichen. Sie käme deshalb bestenfalls als durchaus willkommene, aber eben nur ergänzende Finanzierungsquelle in Frage.
Für die Einkommenssteuern gilt, dass die Unternehmen diese – wie die Sozialabgaben – als Lohnnebenkosten in die Preise ihrer Produkte einkalkulieren. Bei Wegfall der Lohnneben-kosten ergäbe sich daraus ein entsprechender Spielraum für die Erhöhung der Mehrwert-steuer, die als Kompensation unvermeidlich ist. Da auf die Endpreise aufgeschlagen, sollte sie allerdings konsequenterweise besser „Konsumsteuer“ heißen. Es kommt hinzu, dass der durch die Einkommenssteuer bewirkte Kaufkraftverlust den Menschen meist nicht bewusst ist, denn die Einkommenssteuer wird in der Regel vor Auszahlung des Nettogehalts vom Arbeitgeber einbehalten; zwar wird sie irgendwann auf der Lohn- oder Gehaltsbescheinigung ausgewiesen, aber im alltäglichen Bewusstsein ist sie für die Menschen nicht präsent. Die Mehrwertsteuer springt ihnen dagegen auf jedem Kassenbon und bei jeder Rechnung exakt mit Steuersatz und -betrag förmlich entgegen. Das allein könnte die m.E. ansonsten schwer verständliche Abneigung so vieler Menschen gegen eine Besteuerung des Konsums erklären.
Weitere wesentliche Argumente zugunsten einer Besteuerung von Konsum in Abhebung von der Einkommenssteuer dürften den meisten Menschen schlicht nicht bekannt sein:
(1) Ein höherer Grad an Transparenz und Bürokratieabbau bei der Erhebung,
(2) Ein hohes Maß an Flexibilität bei Anpassung an sich ändernde Bedarfe,
(3) Fehlender Druck auf den Faktor Arbeit durch Wegfall der Lohnnebenkosten,
(4) Eine konstruktivere Einstellung der Steuerzahler zum Prinzip der Besteuerung (weniger „schlaue Steuerfüchse“ / mehr kritische, mündige Bürger!).
Das Problem mit der Transparenz ist, dass wir sie gerne von anderen fordern und uns gleichzeitig selber davor drücken. Bezogen auf die Besteuerung des Konsums bedeutet dies, dass wir uns ärgern, wenn wir im Café beim Bezahlen eines Capuccino auf dem Kassenbon erfahren, wie viel der Staat daran mitverdient; zugleich übersehen wir tunlichst, dass der Staat zur Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben auch auf unseren Beitrag angewiesen ist. Stehen wir dagegen zu dieser Notwendigkeit, sollte Transparenz kein Problem sein, vielmehr sollten wir wertschätzen, dass der Staat uns per Kassenbon genau vorrechnet, auf welcher Grundlage und zu welchem Satz er diesen Beitrag einfordert, ganz zu schweigen vom öffentlichen Interesse an der Einsparung des gigantischen Bürokratieaufwands für den Fall des Wegfalls der Lohnnebenkosten.
Auch die größere Flexibilität bei der Erhebung von Konsumsteuern leuchtet ein, bedarf es erforderlichenfalls doch lediglich eines demokratischen Beschlusses zur Änderung des Steuersatzes, um die Steuer unterschiedlichen Aufgaben und Bedürfnissen anzupassen. Solche Flexibilität schließt auch das Risiko eines Missbrauchs durch die Politik ein (Beispiel: die klientelpolitisch motivierte Hotelsteuer-Forderung der FDP vor einigen Jahren). Bei verantwortlicher Handhabung kann solche Flexibilität der Besteuerung des Konsums sich freilich als großer Vorteil erweisen, etwa zugunsten einer pass-genauen Förderung von Herstellung und Vertrieb nachhaltiger Produkte.
Fehlender Druck auf den Faktor Arbeit ist wahrscheinlich die wichtigste Trumpfkarte der Besteuerung des Konsums gegenüber der Besteuerung jeder Art von erwerbsabhängigen Einkommen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Zukunft in einer Postwachstums-ökonomie, wo eines der dringendsten Gebote Entschleunigung sein wird. Demgegenüber ist der faktische Überfluss an Produkten und Dienstleistungen gegenwärtig noch Ausdruck eines in unserer Gesellschaft vorherrschenden Leistungsfetischismus und Konsumismus; er lässt die Unternehmen alle nur erdenklichen Schleichwege „legaler Steuerflucht“ ausschöpfen, und zwar insbesondere mittels Arbeitsplatzeinsparung (z.B. dank Rationalisierung, Standortverlagerung in Billiglohnländer) was den Druck auf den Faktor Arbeit ständig weiter anheizt. Mehr Sinn könnte es da machen, statt „Leistung“ den „Konsum“ zu besteuern, um so von vornherein die Nachfrage nach überflüssigen Produkten und Dienstleistungen zu begrenzen. Bezüglich des zunehmenden Maschineneinsatzes in der Produktion könnte freilich auch eine „Maschinensteuer“ naheliegen. Zu befürchten wäre jedoch das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung: Nämlich statt weniger, effizientere Maschinen, d.h. noch weniger Arbeitsplätze!
In Wirklichkeit geht es noch um Anderes und mehr, nämlich um die fundamentale Frage, ob die Produktion von Gütern und Dienstleistungen künftig im Dienste der Menschen oder ob die Menschen im Dienst der – zunehmend maschinellen – Produktion stehen sollen. Eine Reform, die sich auch dieser Herausforderung stellt, sollte mittelfristig die Besteuerung des Konsums an Stelle des aktuellen gemischten Systems aus Einkommens- und Mehrwertsteuern einführen, mit der Konsequenz,
− dass Armut dank eines Grundeinkommens abgeschafft werden könnte,
− Praktiken legaler Steuerflucht eingedämmt würden,
− kontraproduktive Abschottung und Konkurrenz in Europa überwunden,
− dafür Kooperation, Solidarisierung und soziale Gerechtigkeit gefördert würden.
Sie wäre damit ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Krise in Europa. Der Prozesscharakter einer solchen Reform ist dabei besonders hervorzuheben. Überprüfungen und Korrekturen wären möglich. Bürgerinnen und Bürger könnten sich selber von Fortschritten und/oder notwendigen Korrekturen überzeugen.
Europaweiter Reformprozess, 1. Stufe:
Sozialleistungen statt über Beiträge dank Konsumbesteuerung finanzieren2
Ansatzpunkt für eine erste Stufe des Reformprozesses ist der inzwischen immer dramatischere Verlust von Arbeitsplätzen, was – wegen ausbleibender Beitragseingänge – zu Einbußen bei den Standards sozialer Sicherung führt. Dabei bedeutet der Rückgang von Arbeitsplätzen nicht zwingend einen Verlust an Produktivität.
Eigentlich sollte es deshalb möglich sein, Menschen, Unternehmen und auch die Politik für die Idee zu gewinnen, die Sozialbeiträge – und erstmal nur diese – nicht mehr mittels monatlicher Beitragszahlungen, sondern über einen moderat erhöhten und zweck-gebundenen Konsumsteuersatz zu entrichten. Wäre der Vorteil doch, dass die verfügbare Summe für diese Leistungen – dann unabhängig von der Anzahl der Erwerbsarbeitsplätze – in etwa konstant bliebe; sie könnte allenfalls konjunkturbedingt in Abhängigkeit von der Binnennachfrage leicht schwanken.
Konstant blieben auch die Preise, denn die Unternehmen würden nicht zusätzlich belastet, vielmehr dank Wegfall der Lohnnebenkosten entlastet, was andererseits bei den Preisen durch die nötige Mehrwertsteuer-Anpassung wieder ausgeglichen würde. Da alle Bürgerinnen und Bürger Konsumenten sind, würden alle nach Maßgabe ihrer Konsum-ausgaben zur Finanzierung der Sozialleistungen beitragen. Konsequent wäre dann auch eine obligatorische Bürger-Krankenversicherung; privaten Kassen könnte nach französischem Vorbild weiterhin die Funktion freiwilliger ergänzender Leistungen zukommen.
Praktisch könnte auf der Grundlage einer europaweit harmonisierten und dem nötigen Aufwand entsprechenden Mehrwertsteuer ein gemeinsamer europäischer Fonds gebildet werden. Jedem Land würde daraus, z.B. gemäß seinem Vorjahresaufwand, für die entsprechenden sozialen Leistungen eine Pauschale zugewiesen; diese träte an die Stelle der bisherigen Einnahmen aus Arbeitnehmer-Beitragszahlungen. Darüber hinaus bedürfte es zunächst einmal keiner weiteren Änderungen.
Optimal wäre eine Umsetzung dieser Maßnahme über eine Europäische Richtlinie – oder zumindest über eine entsprechende Empfehlung; sie könnte mittels einer Europäischen Bürgerinitiative auf den Weg gebracht werden. Auf diese Weise könnten die Politik und die Menschen in ganz Europa die Erfahrung der nutzbringenden und vorteilhaften Auswirkungen einer solchen Reform gleichzeitig machen.
2. Stufe: Ein europäisches Sockel-Grundeinkommen einführen3
Vor dem Hintergrund einer solchen breit angelegten positiven Erfahrung sollten gute Chancen bestehen, in der Politik Befürworter auch für eine nächste Stufe des Reform-prozesses in Richtung „Solidarisches Europa“ zu finden, nämlich für die Einführung eines europäischen Sockel-Grundeinkommens. Ein solches Sockel-Grundeinkommen stellt freilich schon jetzt ein dringendes Gebot dar, insofern die Politik bisher eine befriedigende Antwort auf die Herausforderung der doppelten Schere zwischen Arm und Reich schuldig geblieben ist. Es sollte ohne andere Auflagen als den Nachweis des Wohnsitzes an alle ausgezahlt werden und im Schnitt z.B. der Kaufkraft von z.B. 200 € monatlich in den reichsten Ländern entsprechen – dem Preisniveau entsprechend weniger in den ärmeren Ländern.
Über eine Anpassung der Summe an andere Faktoren der realen wirtschaftlichen Bedingungen in den einzelnen Ländern wäre zu diskutieren. Ebenso, nach genauer Kalkulation des erforderlichen Aufwands, über die Frage, ob Erwachsene, Jugendliche und Kinder den gleichen Betrag erhalten sollen. Es wäre in jedem Fall ein Schritt zur Lösung der gravierendsten Probleme.
Das Sockeleinkommen sollte die Leistungen aus den bestehenden sozialen Sicherungs-systemen – ohne Anrechnung oder Minderung derselben – ergänzen. Die Finanzierung könnte über eine Harmonisierung, soweit erforderlich auch Erhöhung, der aktuellen Mehrwertsteuersätze in den EU-Staaten erfolgen. Philippe van Parijs geht davon aus, dass eine europaweite Harmonisierung auf ein Niveau von 20 % (= etwa 10 % des europäischen B.I.P.) ausreichen würde, um seinen Vorschlag mit 200 € für Erwachsene sowie die Hälfte für Kinder und Jugendliche zu finanzieren. Der Vorschlag besticht durch seine Einfachheit und absehbare Effizienz, sieht man einmal von den zu überwindenden Vorurteilen und Widerständen seitens mächtiger Lobbygruppen ab. Deshalb eignet er sich auch als Gegenstand und Ziel einer Europäischen Bürgerinitiative, eventuell gleich zusammen mit der bereits vorgeschlagenen Initiative zur alternativen Finanzierung der Sozial-abgaben, auch wenn die Umsetzung zeitlich versetzt erfolgen würde.
Aus Sicht des Europäischen Grundeinkommens-Netzwerkes UBIE würde ein solches Sockel-Einkommen zwar nicht alle Potenziale eines wirklich angemessenen, gesellschaftliche Teilhabe sichernden Grundeinkommens entfalten, aber es wäre ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Es wäre vor allem ein Beitrag, um den Menschen das Vertrauen in die in den letzten 50 – 60 Jahren geschaffenen europäischen Institutionen zurückzugeben.
Philippe van Parijs hat seinen Vorschlag in einem englischsprachigen Resümee zusammengefasst; es ist ausführlicher als die vorstehenden Andeutungen, enthält nähere Begründungen und findet sich unter folgendem Link: http://www.socialeurope.eu/2013/07/the-euro-dividend/.
3. Stufe: Längerfristige Perspektive für die Einführung eines europäischen Grundeinkommens, das reale gesellschaftliche Teilhabe sichert.
Vor dem Hintergrund eines wieder gewonnenen Vertrauens in europäische Institutionen könnte Bilanz gezogen werden, was die Finanzierungsform „Konsum-besteuerung“ für die Gewährleistung sozialer Sicherung wie auch für ein Sockeleinkommen in Europa zu leisten vermag. Nach einer erfolgreich durchgeführten Europäischen Bürgerinitiative zu einem Sockel-Grundeinkommen dürfte der Bekanntheitsgrad der Grundeinkommensidee europaweit deutlich gestiegen sein. Ob dies dann auch bereits der optimale Zeitpunkt für die Forderung nach einem europäischen Referendum zur Einführung eines Grundeinkommens wäre, das gesellschaftliche Teilhabe umfassend sichert, lässt sich heute noch nicht überblicken. Dies wäre jedenfalls die längerfristige Zielvorgabe. Neben dem Instrument der Besteuerung des Konsums könnten dafür weitere fiskalische Finanzierungsquellen wie z.B. Vermögenssteuer, Ökosteuer, Finanztransaktionssteuer, aber auch – als nicht-fiskalische Maßnahme – z.B. eine „Vollgeldreform“4 in Betracht gezogen werden.
1 In Deutschland wurde die systematische Besteuerung des Konsums erstmals mit der Mehrwertsteuer-Reform im Jahre 1968 eingeführt. Daran maßgeblich beteiligt war damals schon der im letzten Jahr verstorbene Steuerexperte Benediktus HARDORP, der zeitlebens nicht müde geworden ist, sich für eine weitergehende Besteuerung des Konsums einzusetzen. Die Idee, die Besteuerung des Konsums für die Finanzierung eines Grundeinkommens heranzuziehen, vertrat André PRESSE in seiner Dissertation: „Grundeinkommen, Idee und Vorschläge zu seiner Realisierung“ (KIT Scientific Publishing, 2010).
2 Vorschlag von Jean-Marc Scattolin vom „Mouvement français pour un revenu de base“.
3 Vorschlag von Philippe van Parijs, Inhaber des Hoover-Lehrstuhls für Ethik der Ökonomie und des Sozialen in Leuwen (Belgien) sowie Mitbegründer des weltweiten Grundeinkommens-Netzwerkes BIEN.
4 Eine Vollgeldreform beabsichtigt, die Praxis der Geldschöpfung mittels Kreditvergabe durch Privatbanken zu beenden und stattdessen das hoheitliche Recht der Geldschöpfung wieder ausschließlich einer Zentralbank oder einer anderen wirklich unabhängigen Institution (Monetative) zu übertragen. Durch den dadurch ermöglichten Schuldenabbau entstehen Überschüsse, die ihrerseits für staatliche Aufgaben, wie z.B. die ergänzende Finanzierung eines Grundeinkommens, zur Verfügung stünden.
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