Arbeitskreis „Alter und Altern“

Wieder einmal haben uns die guten Verbindungen von Dagmar Hahn-Mehren in ein schönes Tagungshaus geführt. Wir trafen uns im Gästehaus des Dominikanerklosters St. Albert in Leipzig-Wahren. Hier folgt der Bericht zu unserem Treffen vom 05. bis 07. April 2024 in Leipzig. Diesmal kamen wir erfreulicherweise auf zehn Teilnehmende, da wir durch vier neue Interessierte Personen verstärkt wurden.

Traditionell begannen wir am Freitagabend mit dem Abendessen, das wir (wie auch alle anderen Mahlzeiten) im Tagungshaus einnahmen. Daran schloss sich eine diesmal etwas ausführlichere Vorstellungsrunde an. Auch den ersten thematischen Teil erledigten wir noch an diesem Abend. Anhand des Abschnitts „Miteinander sprechen“ aus Erich Fromm: „Haben oder Sein“ kamen wir ins Gespräch zu dem Thema: „Dialog zwischen den Generationen im Sinne Erich Fromms“, welches wir uns ja vorgenommen hatten. Die gelegentlichen Schwierigkeiten, die es bei dieser Kommunikation gibt, werden noch verstärkt durch die sich rasant entwickelnden neuen Techniken. Diese Entwicklung verhindert zunehmend ein aufeinander bezogenes direktes Gespräch.

Am Samstag nach dem Frühstück ging es mit einem Beitrag von Roland Beetz weiter. Unter dem Motto von Paul Watzlawik: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ machte er uns mit dem Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun bekannt. Anhand eigener Erlebnisse wendeten wir dieses dann auch an.

An das Mittagessen schloss sich traditionell ein touristischer / allgemeinbildender Teil an – diesmal ein Rundgang durch die Innenstadt von Leipzig mit den orts- und geschichtskundigen Teilnehmenden Dagmar und Dietmar. Wir besuchten die für die friedliche Revolution `89 so bedeutsame Nikolaikirche; auch an Auerbachs Keller, in dem schon Goethes Dr. Faust zu Gast war, kamen wir vorbei. Ein Blick auf das Gewandhaus erinnerte uns an seinen ehemaligen Kapellmeister, Kurt Masur, der neben seinem musikalischen Wirken auch für sein politisches Engagement, insbesondere während der Friedlichen Revolution in Leipzig – als einer der „Sechs von Leipzig“ am 9. Oktober 1989 – bekannt war. Danach erwartete uns im Kloster Kaffee und Kuchen.

Einen weiteren Beitrag brachte danach Dietmar Seifert ein. Sein Thema war die ebenfalls schwierige Kommunikation zwischen (älteren) Bürgern und Behörden bzw. Ämtern.

Am Samstagabend konnten wir das gemütliche Kaminzimmer nutzen. Der dort vorhandene (USB-taugliche) Fernseher ermöglichte es Günter Pohl ein kurzes Interview mit der renommierten Künstlerin Mary Bauermeister zu zeigen. Darin erläuterte sie auf Anfrage ihre Vorstellungen von den Aufgaben und Möglichkeiten künftiger Generationen und welche Rolle „wir Alten“ dabei noch spielen sollten.

Den Sonntagvormittag nutzten wir, um uns mit der Planung künftiger Treffen zu befassen. Den nächsten Arbeitskreis werden wir vom 25. bis 27. April 2025 im Kloster Hedersleben (Nahe Halberstadt, Quedlinburg) durchführen. https://kloster-hedersleben.de/ Das Thema wird sein: „Authentisch Leben trotz Ausgrenzung älterer Menschen“.

Neue Interessenten an unserem Arbeitskreis sind gern willkommen. Sie wenden sich bitte an das Koordinatorenteam des Arbeitskreises:  Dagmar Hahn-Mehren, DE-04420 Markranstädt, E-Mail: hahn-mehren@t-online.de und  Günter Pohl, DE-53844 Troisdorf, E-Mail: guenohl@posteo.de

Arbeitskreis Bochum

Der Arbeitskreis Bochum der IEFG hat sich seit seiner Gründung im vergangenen Jahr schon mehrmals getroffen. Nach einem ersten Austausch über die eigenen Zugänge zu Erich Fromm sowie einem Sammeln von Ideen für den Arbeitskreis ist ein monatlicher Lesekreis zu Fromms Werk „Die Furcht vor der Freiheit“ entstanden. Weitere Ideen sind in der Planung, wie etwa die Veranstaltung eines öffentlichen Vortrags.

Der Arbeitskreis Bochum besteht mittlerweile aus ca. 10 Personen, die mit unterschiedlichen zeitlichen Kapazitäten aktiv sind. Wir freuen uns immer über neue Aktive die Lust haben sich mit uns mit den Werken und dem Wirken Erich Fromms zu beschäftigen. Wir haben auch einen E-Mail-Verteiler über den wir über kommende Veranstaltungen und Treffen informieren. Bei Interesse freuen wir uns über eine E-Mail an Tim Werntze oder Jens Salomon, beide zu kontaktieren unter: bochum@fromm-gesellschaft.eu

Arbeitskreis „Pädagogik der Biophilie“

Aus der Zusammenlegung der bisherigen Arbeitskreise „Schule der Biophilie“ und „Wege aus der Entfremdung“ hat sich in der Zwischenzeit der neue Arbeitskreis „Pädagogik der Biophilie“ gebildet. Dieser Arbeitskreis wird derzeit organisiert und demnächst dann seine Tätigkeit aufnehmen. Sobald es hierzu Neues gibt, werden wir davon berichten.

Bei Interesse an Vorbereitung und Mitwirkung wenden Sie sich gerne an die Koordinierenden:  Anke Raidt, DE-75389 Breitenberg, E-Mail: anke_raidt@iefg.de oder  Prof. Dr. Otto Lüdemann, DE-22359 Hamburg; E-Mail: otto.luedemann@posteo.de

Arbeitskreis Rhein-Main

Der Arbeitskreis traf sich zuletzt am 23. Februar 2024 in Wiesbaden und wurde wie immer von Wolfgang Schäfer moderiert. Das hier wiedergegebene Protokoll besorgte Elke Ebeling. Wir hatten uns die Besprechung von Fromms Buch „Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen“ vorgenommen. Einige der AK-Teilnehmenden erklärten sich bereit, bestimmte Kapitel zusammenzufassen und die Frommschen Gedanken auf heute drängende gesellschaftliche Fragen und Probleme zu beziehen.

Rosa Frühwacht begann mit dem Vorwort von Erich Fromm:

Fromm unterscheidet zwischen der Aggression, die direkt oder indirekt im Dienst des Lebens steht, und der bösartigen Form der Destruktivität, der Nekrophilie, der echten Liebe zu Totem. Dem stellt er die Biophilie, die Liebe zum Leben und zu Lebendigem, gegenüber.

Nun folgte die Zusammenfassung von Kapitel 1. Der Mensch – Wolf oder Schaf?

Für die Annahme, dass Menschen Schafe sind, spricht, dass sie sich leicht dazu bringen lassen, Befehle anderer auszuführen – selbst zum eigenen Schaden. So folgen Menschen Führern in den Krieg, der ihnen nichts einbringt als Zerstörung. Sie glauben jeden Unsinn, wenn er nur von den Führern mit gehörigem Nachdruck vorgebracht wird. Es scheint, dass die meisten Menschen leicht zu beeinflussen sind.

Auch wenn es im täglichen Leben Grausamkeit und Sadismus gibt, so reagieren viele Menschen doch mit Abscheu darauf. Sie unterscheiden sich nicht vom Durchschnittsmenschen, sie sind egoistisch, kaum bereit, zugunsten anderer auf einen persönlichen Vorteil zu verzichten, aber sie sind weder grausam noch bösartig. Erst wenn Menschen eine Machtstellung innehaben, über Millionen Menschen befehlen und wenn sie über die schlimmsten Vernichtungswaffen verfügen, können sie ungeheuren Schaden anrichten.

Deshalb, so Fromm, ist „der normale Mensch mit außergewöhnlicher Macht … die Hauptgefahr für die Menschheit – nicht der Unhold oder der Sadist.“ Um Kriege zu führen, werden nicht allein Waffen benötigt, sondern auch die Leidenschaften des Hasses, der Empörung, der Destruktivität und Angst.

Der Auffassung, dass sich ein Atomkrieg von „traditionellen Kriegen“ unterscheide, begegnet Fromm mit der Frage, ob nicht in tieferen Schichten der Persönlichkeit, die eine Atombombe zündet, destruktive Impulse oder eine tiefe Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben vorhanden sein mussten, um eine solche Handlung überhaupt möglich zu machen (auch wenn die betreffende Person glaubt, nur einen Befehl auszuführen).

Fromm greift drei Phänomene heraus: die Liebe zum Toten, den bösartigen Narzissmus und die symbiotisch-inzestuöse Fixierung. Im Gegensatz dazu steht das Wachstumssyndrom, die Liebe zum Lebendigen, die Liebe zum Menschen und Unabhängigkeit. Nur bei wenigen Menschen ist eines der Syndrome voll entwickelt.

Nun folgte Anita Engel mit Kapitel 2: Verschiedene Formen der Gewalttätigkeit

In diesem Kapitel stellt Erich Fromm „andere Formen der Gewalttätigkeit“ vor, die mit „weniger pathologischen Manifestationen der Gewalttätigkeit“ einhergehen, um die später im Buch weiter ausgeführten „schwer pathologischen Formen der Destruktivität“ besser zu verstehen.

  1. Die spielerische Gewalttätigkeit: Kampfspiele, z. B. die Kunst des Schwertkampfes im Zen-Buddhismus oder um Kriegsspiele primitiver Stämme. Dabei misst man die Geschicklichkeit im jeweiligen „Spiel“ und das Zerstörerische spielt keine Rolle. Dahinter dürfte man „in Wirklichkeit unbewusste Aggression und Destruktivität hinter den explizit festgelegten Spielregeln finden.“
  2. Die reaktive Gewalttätigkeit: Die Verteidigung des Lebens, der Freiheit, der Würde oder des Eigentums. Das Gefühl, bedroht zu sein, beruht oft auf „einer Manipulation des Denkens“, das von Menschen betrieben wird, die sich als Führer politisch oder religiös hervortun. Oft fehlt bei den Menschen eigenständiges Denken. Dies macht sie anfällig für Anhängerschaft z. B. der AfD, die Parolen verbreitet wie: „Wir sind das Volk“, „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“ etc. Bei Bedrohung muss ich mich verteidigen. Die Frustration äußert sich oft in aggressivem Verhalten, weil Wünsche und Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Neid und Eifersucht stellen eine spezielle Art der Frustration dar.
  3. Bei der rachchtigen Gewalttätigkeit ist „die Schädigung bereits geschehen und die irrationale Funktion [hat] auf magische Art das, was in der Realität geschehen ist, wieder ungeschehen zu machen.“  Bei „rückständigen Gruppen“, ökonomisch, kulturell, emotional gesehen, scheint das Rachegefühl am größten zu sein. 
  4. Die kompensatorische Gewalttätigkeit. Sie ist die Gewalttätigkeit, die einem impotenten Menschen als Ersatz für produktive Tätigkeit dient.

Kapitel 3: Zusammenfassung von Helga Kahle-el Kady: Die Liebe zum Toten und die Liebe zum Lebendigen

Es gibt drei Tendenzen, die gegen das Leben gerichtet sind und die Erich Fromm als das Wesen des wahrhaft Bösen bezeichnet. Diese sind: Nekrophilie im Gegensatz zur Biophilie, Narzissmus und die symbiotische Fixierung.

Fromm betont, dass es unterschiedliche Mischungen gibt. Nekrophilie als allgemeine Orientierung wurde in der psychoanalytischen Literatur noch nie beschrieben. Die nekrophile Persönlichkeit fühlt sich von allem Nichtlebendigen angezogen. Der Nekrophile unterscheidet Menschen danach, wer die Macht hat. Fromm weist in diesem Zusammenhang auf Hitler und Stalin hin.

Eine biophile Persönlichkeit fühlt sich zu Lebens- und Wachstumsprozessen hingezogen, will lieber neu schaffen als bewahren, erfreut sich am Leben: „Gut ist alles, was dem Leben dient, und böse alles, was dem Tod dient.“ Erich Fromm stellt sich die Frage, welche Faktoren zu einer biophilen oder nekrophilen Orientierung führen. Auch wenn er darauf keine endgültige Antwort geben kann, so ist gewiss ein warmer und liebevoller Kontakt zu anderen Menschen während der Kindheit von Bedeutung. Freiheit und das Fehlen von Drohungen.

Jens Salomon widmete sich Kapitel 4: Individueller und gesellschaftlicher Narzissmus

Betrachtung der Rolle des Narzissmus bei Nationalismus, Nationalhass, Destruktivität und Krieg

Teil 1: Individueller Narzissmus

Zur Entwicklung des Narzissmus. Zentral bei der Eindämmung des Narzissmus ist wohl ein echter Bezug zur Außenwelt. Die Entwicklung des Individuums könne geradezu als Entwicklung zum absoluten Narzissmus zu objektivem Denken/Objektliebe bezeichnet werden.

Formen des (individuellen) Narzissmus. Extreme Narzissmen seien der primäre Narzissmus und der der Geisteskranken. Besondere Art des Narzissmus bei außergewöhnlich Mächtigen.

Narzissmus beim normalen/neurotischen Menschen äußert sich in verschiedenen Formen:

–  Man mag den eigenen Körper – Schwierigkeit, die eigene Situation von der anderer zu trennen – Unglaube, dass jemand, den man liebt, einen nicht selbst auch liebt – Besessenheit von eigener Schönheit – Hypochonder, die sich ständig mit dem eigenen Körper beschäftigen – moralische Hypochondrie, „negativer Narzissmus“ – Andere Personen werden als Echo der eigenen Person wahrgenommen – Selbstzufriedenheit, kaum Interesse, was andere sagen -Empfindlichkeit gegenüber Kritik

Gemeinsamkeit aller Narzissmusformen: Mangel an echtem Interesse an der Außenwelt. Oder, dass man nur einen Teilaspekt der Persönlichkeit zum Gegenstand des Narzissmus mache, etwa Ehe, Intelligenz, körperliche Tüchtigkeit, Witz, gutes Aussehen. Dann sei man identifiziert mit einem Teilaspekt seiner selbst. Narzissmus könne nicht nur auf das Selbstbild abzielen, sondern auch auf andere mit der Person zusammenhängende Menschen. Beispiel: Eigene Kinder werden als schöner oder intelligenter als andere aufgefasst. Auch Liebe zwischen Erwachsenen könne entsprechende narzisstische Züge haben.

Vermutung: Narzissmus hat eine wichtige biologische Funktion: Vom Gesichtspunkt des Überlebens müsse der Mensch sich wichtiger nehmen als andere. Steht dies aber nicht im Konflikt mit dem Lebenserhaltungstrieb, denn extremer Narzissmus mache ja gegenüber anderen gleichgültig – der Einzelne könne jedoch nur in Gruppen überleben?

Zwei Lösungsangebote des Paradoxons:

  1. Nicht maximaler, sondern optimaler Narzissmus diene dem Überleben, der mit sozialer Zusammenarbeit vereinbar ist.
  2. Eine andere Möglichkeit sei Umwandlung des individuellen in Gruppennarzissmus. Die Energie diene dann der Erhaltung der Gruppe.

Pathologie des Narzissmus. Die gefährlichste Folge des Narzissmus sei der Verlust des rationalen Urteils. Das Nicht-Ich sei minderwertig, gefährlich, unmoralisch. Noch pathologischer sei Kritik an emotional besetzter Stelle. Sie führt zu intensiver Reaktion. Grund sei zugehörige Angst, Kompensation durch narzisstische Selbstaufblähung. Nur die Vernichtung des Kritikers schütze vor Verlust der narzisstischen Sicherheit. Alternative zur Wut: Depression. Die Trauer der Melancholie um das eigene Ich – quasi als Vorbeugung wird Narzissmus aufgebläht.

Andere Lösung: Umformung der Wirklichkeit entsprechend dem Selbstbild. Die Intensität ihrer Suche nach an sie glaubende Menschen und ihrer Umgestaltung der Wirklichkeit rührt eigentlich vom Kampf gegen den Ausbruch des Wahnsinns her. Dies verleihe ihnen auch eine imposante Sicherheit und Skrupellosigkeit. Bei gutartigem Narzissmus sei das Objekt des Narzissmus Ergebnis eigener Bemühungen mit entsprechendem Bezug zur Realität. Gegenstand des bösartigen Narzissmus sei hingegen, was er habe. Der Narzissmus verstärke sich, um das Ich als Erzeugnis meiner leeren Einbildungen zu schützen.

Teil 2: Gesellschaftlicher Narzissmus

Parallele zum individuellen Narzissmus: Mitglieder müssten die Gruppe mindestens so wichtig wie das eigene Leben nehmen und an die Rechtschaffenheit oder Überlegenheit der eigenen Gruppe glauben. Ohne diesen Narzissmus fehlt notwendige Energie beim Erbringen von Opfern.

Auch beim gesellschaftlichen Narzissmus gebe es die gutartige Form, bei der man sich für das erstrebte Ziel interessiert. Wenn das Objekt des Narzissmus die Gruppe selbst ist, verstärken sich die narzisstische Orientierung und die damit einhergehenden Gefahren.

Soziologische Funktion: Eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nicht ausreichend versorgen könne, muss den Menschen zu einer narzisstischen Befriedigung nach bösartigem Muster verhelfen. Gesellschaftlicher Narzissmus ist weniger leicht zu erkennen. Innerhalb der Gruppe herrscht ja Einigkeit. Die Gruppe braucht den Narzissmus für ihr Fortbestehen und betrachtet ihn als besonders tugendhaft. Historische Entwicklung des Gruppen-narzissmus: Zunächst basiert er auf Blutsverwandtschaft, später Gruppen, die auf gemeinsamer Sprache, Gesellschaftsordnung, Glauben basieren. Zweideutigkeit: Zusammenarbeit in größeren Gruppen fördere den Narzissmus nicht nur, sondern die Zusammenarbeit mit andersartigen Menschen wirke ihm auch entgegen.

Gegenstück des Gruppen-Narzissmus: Humanismus. Wie passt eine wachsende Intensität des Narzissmus zur Entfaltung des wissenschaftlichen Denkens? Letzteres erfordere ja Objektivität und Realismus. Es sei kein Zufall, dass die meisten hervorragenden Naturwissenschaftler Humanisten seien.

Zur Pathologie des gesellschaftlichen Narzissmus: (wieder) Mangel an Objektivität. Eine Verletzung des Narzissmus führt zu grenzenlosen Wutausbrüchen. Die Wunde könne durch Vernichtung des Übeltäters geheilt werden. Außerdem: Wunsch nach einem Führer, mit dem sich die Gruppe identifizieren könne und auf den individueller Narzissmus übertragen wird.

Teil 3: Ist gutartiger Narzissmus gut? Phänomen des Narzissmus, dessen Pathologie, seine biologische/soziologische Funktion

Ein möglicher Schluss wäre, dass milder, gutartiger Narzissmus notwendige und wertvolle Orientierung darstelle. Es gehe jedoch nicht nur um den biologischen/soziologischen Fortbestand, sondern auch darum, was den Menschen zum Menschen mache.

Narzissmus stehe im Widerstreit mit Vernunft, da Wirklichkeit nicht unverstellt gesehen werden könne, und Liebe, da der Partner nur als Schatten des narzisstischen Ichs bestehe. Ethisch-geistiger Standpunkt: Alle humanistischen Religionen lehrten, das Ziel des Menschen sei Überwindung des eigenen Narzissmus.

Teil 4: Lösungsmöglichkeiten

Es gibt eine scharfe Diskrepanz zwischen intellektueller und geistig- emotionaler Entwicklung des Menschen, woraus eine Katastrophe erwachsen könne. Wie kann diese abgewendet werden? Einfachste Möglichkeit: Die Änderung des Objekts des Narzissmus, zum Beispiel auf die Menschheit als Ganzes. Chor bei Antigone: „Es gibt nichts Wunderbareres als den Menschen.“ Außerdem: Alle müssten sich an Aufgaben – wie Kampf gegen Krankheit und Hunger oder die Ausbreitung von Wissen und Kunst – beteiligen, sodass jeder stolz sein kann, Mensch zu sein.

Ein weitergehendes Ziel wäre die Reduktion des Narzissmus in jedem Einzelnen. Das ist leichter als je zuvor, weil hinreichende materielle Bedingungen für alle geschaffen werden könnten. Der Mensch könne auf narzisstische Befriedigung verzichten, mit der er bislang die materielle und kulturelle Armut kompensiert habe.

Richtige Unterweisung reiche dabei nicht allein, notwendig sei auch eine Veränderung der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Und: Zentralisierung → Dezentralisierung, Organisationsmenschen → verantwortungsbewusster, aktiver Mensch, Nationale Hoheitsrechte → Souveränität menschlicher Rasse, Reiche Nationen helfen armen beim Wirtschaftsaufbau, universelle Abrüstung.

Letztere sei auch wichtig, denn menschlich könne der Mensch nur sein, wenn er hoffen könne, dass seine Kinder noch viele Jahre erlebten.

Nächster Arbeitskreistermin ist Samstag, 3. August 2024.

Thema: „Erich Fromm: Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen.“ Wir wollen die noch fehlenden Kapitel besprechen und Fromms Gedanken auf die Jetztzeit beziehen.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Koordinatorin bzw. den Koordinator des Arbeitskreises:  Elke Ebeling, DE-65187 Wiesbaden, E-Mail: elke.ebeling2@freenet.de oder  Wolfgang Schäfer, DE-55118 Mainz, E-Mail: wolfgang.schaefer.54@gmx.de

Online-Arbeitskreis Junges Forum

Das «Junge Forum» der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft findet sich auf Facebook https://www.facebook.com/groups/jungesforumIEFG). Das Forum richtet sich an jüngere Mitglieder und Interessierte der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft und soll die Möglichkeit zum unkomplizierten Austausch, zur Vernetzung und zur Diskussion geben.

Wer dem Forum beitreten will, wird gebeten, pro forma einige Fragen zu beantworten, es werden aber auch alle akzeptiert, die stattdessen „Rundbrief“ als Antwort schreiben. Der Ansprechpartner für das Online-Forum ist  Richard Runge, E-Mail: jungesforum@fromm-gesellschaft.de

Regensburger Arbeitskreis

die Regensburger Fromm-Gruppe arbeitet derzeit in drei Hauptformaten:

1. Fromm-Tisch (Gesprächskreis)

Das ist ein monatlicher offener Gesprächskreis im Kulturraum M26 der Stadt Regensburg. Hierhin kann jede/r kommen, die/der sich für den Themenbereich: Die Bedeutung von Fromms Humanismus in der Gegenwart interessiert. (Die Teilnahme ist nicht verbindlich.)

Um in den anderen beiden nicht öffentlichen Formaten „Online-Treffen“ und „Tagesworkshop“ teilnehmen zu können, hat sich folgendes Prozedere bewährt, damit die kontinuierliche, produktive Gruppenarbeit in vertrauensvoller Atmosphäre aufrechterhalten werden kann:

Vorab muss mindestens ein Gespräch mit dem Koordinator geführt worden sein. Darin soll neben dem persönlichen Kennenlernen gemeinsam v. a. Folgendes entschieden werden: Kann die Vorgehensweise der Gruppe, nämlich das vertrauensvolle Teilen tiefer und echter menschlicher Erfahrungen, sowie ihre Zielsetzung (Verwandlung des entfremdeten in einen produktiv teilnehmenden Menschen) dauerhaft mitgestaltet und verfolgt werden.

Wenn für beide Gesprächspartner klar ist, dass Vorgehen und Zielsetzung langfristig mitgetragen werden können, ist im nächsten Schritt die Vorstellung bei der Gruppe im Online-Treffen vorgesehen.

2. Online-Treffen (Erfahrungsaustausch)

Diese monatlichen Online-Treffen auf Jitsi-Meet finden sonntagvormittags statt und sind nicht öffentlich! Dort treffen sich die Mitglieder der Fromm-Gruppe, um gemeinsam persönliche Erfahrungen auszutauschen und zu besprechen. Es geht vor allem um Erlebnisse, die sie im Alltag auf ihrem Weg zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung gemacht haben. (Die Teilnahme ist verbindlich.)

3. Fromm-Tagesworkshop (Arbeitskreis)

Unter dem Motto „Mut zum Humanismus im 21. Jahrhundert“ bildet die Arbeit in diesem Workshop-Format die eigentliche Basis für unsere gemeinsame ganzheitliche (Praxis und Theorie) „Entwicklungsarbeit“ hin zu einem produktiv teilnehmenden Menschen: einem Menschen also, der die direkte Begegnung mit sich und anderen wirklich (er)leben möchte. „Darum ist in der Kunst des Lebens nach Fromm, das tatsächliche Beschreiten solcher Wege der direkten Begegnung nicht ersetzbar durch ein Wissen davon oder Reflektieren und Sprechen darüber“ (Rainer Funk: Das Leben selbst ist eine Kunst, S. 236). Sie umfasst also Körper, Geist und Seele, damit wir tatsächlich zunehmend liebevoller, vernünftiger und kreativer leben können. (Die Teilnahme ist stark verbindlich.)

Detailliertere Informationen zu Zielsetzung und Methodik unserer Arbeit entnehmen Sie bei Interesse der Broschüre: „Regensburger Arbeitskreis“, die Sie auf Anfrage beim Koordinator, Josef Pallas, erhalten.

20. Tagesworkshop: Bereitschaft zur Des-Illusionierung

Im März-Workshop beschäftigte sich die Regensburger Fromm-Gruppe abschließend mit dem als Trilogie angelegten Thema: „Begegnung mit dem eigenen Selbst. Drei Voraussetzungen“. Zunächst haben wir uns im Juli 2023 mit der energetischen Voraussetzung zur Selbstbegegnung auseinandergesetzt: dem unbedingten Willen.

von links hinten: Christian, Tom, Sonja, Hannes, Micha, Josef

von links vorne: Jan, Bernhard, Peter, Stefan, Tina

Daran anschließend beschäftigten wir uns im November-AK mit der Frage, warum erst das konsequente Üben der „Kritikfähigkeit“ (auch im Sinne von „wahrnehmen, erforschen und prüfen“) die falsche Art zu leben aufdecken kann. Denn um ein lebendigeres Leben führen zu können, bedarf es der Bereitschaft zur Des-Illusionierung.

Zusammenfassung

In unserem März-Workshop zum Thema „Des-Illusionierung“ als dritte Voraussetzung zur Selbstbegegnung haben wir wieder intensiv und produktiv an unserem menschlichen Gelingen gearbeitet. Theoretisch (Arbeitsblatt „Des-Illusionierung“) und praktisch (Feldenkrais-Aufgaben) drehte sich das Arbeiten an diesem gemeinsamen Tag um das immer tiefere Verstehen des Phänomens, dass der Versuch, dem eigenen Selbst direkt zu begegnen, mit allerlei (charakterlichen) Fallstricken verbunden ist (Stichwort: „Inszenierung von illusionärer Wirklichkeit“). Überdies haben wir (exemplarisch) erste Wege beschritten, solche Fallstricke und versteckten Hindernisse bei uns selbst erkennen zu können (z. B. energiefressende Bewegungsmuster, Rationalisierungen und Projektionen). Weiterhin entwickelten wir zusammen Ideen und mögliche Maßnahmen, die gefundenen „Energiefresser“ aus dem Wege zu räumen, wie etwa durch das Lösen konkreter Alltagsaufgaben zur Aktivierung der eigenen psychischen Wachstumskräfte (z. B. bewusst und regelmäßig den eigenen Stimmungen nachspüren, negative Gefühle zulassen oder unbewusste Zielkonflikte aufspüren.)

Die Fähigkeit zur Des-Illusionierung erfordert nämlich zweierlei:

1. Die Bereitschaft auf Illusionen über sich und andere zu verzichten und

2. Die Bereitschaft auf die Inszenierung von sentimentaler und illusionärer Wirklichkeit zu verzichten.

Beides ist zwar enttäuschend (= des-illusionierend), aber auch befreiend und energetisierend! Denn solange man „nicht mit den Illusionen aufräumt, hält man Zustände am Leben, die ungesund sind und die ihr Fortbestehen nur Illusionen verdanken.“ (Erich Fromm 1974, GA XII, S. 349)

Hinweise zur theoretischen Arbeit

Die Grundlage für unsere theoretische Arbeit war wieder ein vom Tagesverantwortlichen (TV), Josef Pallas, überarbeiteter zweiseitiger Text aus Rainer Funks Buch „Das Leben selbst ist eine Kunst“ (S. 233-236). Unter der Überschrift „Des-Illusionierung als Voraussetzung der Begegnung mit dem eigenen Selbst“ ging es u. a. um die Diskussion folgender Thesen:

– Des-Illusionierung heißt, sich von (gesellschaftlichen) Täuschungen befreien

– Des-Illusionierung heißt, der Wahrheit immer näher zu kommen

Als ergänzender Praxisbezug wurden acht Irrwege zur Begegnung mit dem eigenen Selbst vorgestellt und diskutiert. Solche Irrwege können z. B. sein: Selbsterfahrungsangebote erwerben und konsumieren, Techniken bevorzugen, die leicht und schnell erlernt werden können, suggestive Angebote auswählen und praktizieren.

(Wie immer kann das verwendete Textmaterial als PDF beim Koordinator angefordert werden.)

Hinweise zur praktischen Arbeit
(von Bernhard Westermeier, Feldenkraislehrer®)

Wie wir in den Hinweisen zur theoretischen Arbeit bereits erkennen konnten, ist grundsätzlich jede gelungene Des-Illusionierung ein Akt der Befreiung. Diese befreiende Wirkung zeigt sich gleichermaßen im Denken, Fühlen und Handeln.

In der praktischen Arbeit konzentrierten wir uns auf die „erlernte“ Limitierung unserer Bewegungen durch gewohnte Bewegungsmuster. Das als alternativlose empfundene Festhalten an solchen (individuell sehr verschiedenen) gewohnten Bewegungsmustern sollte als Täuschung (Illusion) „entlarvt“ werden, damit wir uns von ihnen befreien können und dadurch belebende Energie gewinnen können.

Moshé Feldenkrais berichtete schon 1967 in seinem Buch „Bewusstheit durch Bewegung“ von dieser einschränkenden Erfahrung durch verinnerlichte Bewegungsabläufe. Sinngemäß schrieb er: Das Gewahrwerden alternativer Bewegungsprozesse befreite mich von der Täuschung, nur das Gewohnte sei möglich. Und zugleich befreite mich diese neue Bewusstheit dazu, alternative, in der Regel weniger anstrengende, Bewegungsformen auszuführen.

Praktische Arbeit am „Stehen und Gehen“

Beispielhaft spürten wir in der (vergleichenden) praktischen Arbeit am Stehen und Gehen den Wirkungen von alternativen Bewegungsformen nach: gemeinsam in der Gruppe sowie jede/r einzelne für sich.

Die erste praktische Aufgabe im Workshop war „Stehen“. Stehen als Aufgabe vorzugeben, ist wohl etwas ungewöhnlich und Charles W. Brooks meint sogar, „dass kaum jemand seit seiner Kindheit bewusst und mit wachen Sinnen zum Stehen gekommen ist.“ (Charles W. Brooks: „Erleben durch die Sinne“, Junfermann 2005)

Das ist ein interessanter Punkt, den wir im Workshop mit dem Thema Illusion und Desillusion zu verknüpfen versuchten: Wir glauben zu wissen, was wir tun, wenn wir stehen. Denn wir tun es ja jeden Tag viele Male. Doch wenn wir beginnen, bewusst zu hinterfragen, wie wir stehen und was dabei tatsächlich vor sich geht, betreten wir jedes Mal neues Terrain. Automatisierte, verinnerlichte Muster werden plötzlich für einen Augenblick bewusst.

Vielleicht hängt die Bedeutung, die „Stehen“ für den einzelnen Menschen hat, auch stark mit der Wertigkeit zusammen, die das Stehen in der jeweiligen Gesellschaft hat. Brooks (2005) merkt dazu an: „Wenn… ein Haus endlich steht, dann wird der Richtkranz hochgezogen, und alle feiern das Ereignis, genau so wie bei dem großen Augenblick in der Familie, wenn das Kind, das bis jetzt gelegen, gesessen und gekrabbelt hat, endlich zum ersten Mal ohne Hilfe frei auf dem Boden steht.“ Später scheint das Stehen dann allerdings kaum noch zu interessieren, außer in eher disziplinarischen Zusammenhängen wie dem militärischen Befehl: „Stillgestanden!“ oder der elterlichen Aufforderung: „Steh gerade!“, was zu unangenehmen Erinnerungen führt und das Stehen an sich in ein unangenehmes Licht rückt.

Peggy Zeitler (Editorial 2010, https://we-ev.de/sensory-awareness/peggy-zeitler.html) bringt „neue“ Aspekte ins Spiel, wenn sie vom „Stehen und Gehen“ spricht: „Beim Gehen und Stehen habe ich gelernt zu unterscheiden, ob ich auf dem Boden bin oder über dem Boden. Gut geht es mir, wenn ich auf dem Boden stehe. Dann arbeite ich mit der Schwerkraft zusammen und teile [mein Körpergewicht] mit ihr: Ich gebe ihr einen angemessenen Teil meines Gewichtes ab und trage selber meinen Teil.“

Im Workshop war es nun die Aufgabe, sich des Bodens und des Spiels mit der Schwerkraft bewusst zu werden: Wie würde sich dadurch das Erleben von Gewicht und Balance verändern?

Folgende Fragen wurden gestellt:

Was habe ich geglaubt, wie ich stehe? Z. B.: Ich stehe fest und statisch auf dem Boden (= Illusion).

Was zeigt sich im Laufe der Bearbeitung der Aufgabe „Stehen“? Z. B.: Verändert sich mein Bild von dem, was ich bislang geglaubt habe? Und falls ja, worin liegt der Unterschied zwischen dem bislang gewohnten Bild und zu dem, was ich nun erlebe? Z. B.: Ich stehe nicht fest und gerade, sondern ich schwanke nach vorne und hinten, nach links und nach rechts (= Realität).

In gleicher Weise bearbeiteten wir die nächste Aufgabe „Gehen“.

Was passiert wirklich, wenn ich einen Schritt gehe? (Fragen wie oben unter „Stehen“)

Im Feedback-Gespräch wurde v. a. folgendes Argument betont und diskutiert: Realität passiert nur „jetzt“ und wird jeweils unterschiedlich erlebt. Realität „passiert“ nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Wenn aber erlernte Vorstellungen oder (Selbst-)Bilder, das gegenwärtige, unmittelbare Gewahrwerden be- oder gar verhindern, dann bin ich fixiert – mein Erleben wird also zunehmend „unlebendig“ und energieraubend.

Ausblick

Bis zum kommenden Tagesworkshop werden wir vorbereitend zum Thema „Die Selbstanalyse als Weg der Begegnung“ arbeiten. Unter anderem soll es darum gehen, welche Vorbereitungen, aber auch welche Voraussetzungen empfehlenswert sind, bevor man sich auf diesen von Fromm selbst favorisierten und empfohlenen Weg der Selbstbegegnung begibt. Im Workshop werden wir uns dann exemplarisch mit „Methoden“ der Selbstanalyse beschäftigen, die uns unterstützen sollen, eine Veränderung in der Tiefe zu bewirken, indem sie dazu beitragen, unsere wachstumsorientierten eigenen Kräfte zu mobilisieren.

[Zitatkasten] „Wirklich auf einen Menschen bezogen zu sein… ist eine Fähigkeit… in mir und nicht etwas im Gegenüber.“ (Erich Fromm 1959, GA XII, S. 362 f.)

Das nächste Präsenztreffen an den Eckert Schulen in Regenstauf wird stattfinden am Samstag, 06. Juli 2024 ab 10:00 Uhr.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an den Koordinator des Arbeitskreises:  Josef Pallas, DE-93057 Regensburg; E-Mail: fromm-regensburg@gmx.de

Tübinger Arbeitskreis

Am 16.03.2024 trafen sich 8 Teilnehmende des Tübinger Arbeitskreises in den Räumlichkeiten des Erich-Fromm-Instituts zum Thema: „Neue Lebenswelten: Auswirkungen auf Erziehung und Sozialisation.“

Nach einem kurzen Rückblick auf die vorausgegangene Sitzung haben sich die Teilnehmenden im ersten Teil der Veranstaltung mit der Frage nach dem sogenannten Gesellschaftscharakter nach Erich Fromm beschäftigt, und sind dabei der Fragestellung nachgegangen, welche Bedeutung dieser in Bezug auf die heutige Thematik hat.

In Bezug zu den in der letzten Sitzung vorgestellten Schulen (Summerhill und Sudbury Valley) wurde diskutiert, in wie weit diese den fromm´schen Gedanken des Gesellschaftscharakters negieren, in dem sie in einer gesellschaftlichen Nische operieren, für die die fromm´schen Ausführungen (Erziehung und Bildung findet nur innerhalb des Gesellschaftscharakters statt), nicht zutreffen.

Der Gesellschaftscharakter im Sinne einer Sozialisationstheorie formt die Individuen mit der Zielsetzung, „das zu wollen, was der Einzelne auch im Sinne des Gesellschaftscharakters, letztendlich tun soll“. Jede Gesellschaftsstruktur bildet sich demnach auch in der Psyche des einzelnen ab.

Als Übermittler dieser gesellschaftlichen Werte und Normen spielen die Eltern und Lehrer eine wichtige „Vermittlerrolle“.

Was bedeutet nun der Gesellschaftscharakter mit Blick auf die neuen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen heute? Digitalisierung, Globalisierung, soziale Ungleichheit und veränderte Familienformen sind hier nur einige Aspekte der sich verändernden Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen heute. Welche Bedeutung und Einfluss haben diese Aspekte vor dem Hintergrund des sich damit verändernden Gesellschaftscharakters, und welche neuen Herausforderungen und Aufgaben entstehen hier für Pädagogen und Lehrkräfte?

Im besonderen Maße wurde in diesem Zusammenhang vor allem die Digitalisierung als zentrales Element in der sich verändernden Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen betont. Eine zunehmend digitalisierte Lebenswelt, die es dem einzelnen ermöglicht, in jeder Situation die eigene Begrenzung aufzuheben und sich mit der ganzen „Welt“ zu vernetzen, führen zu permanenten Erfahrungen der „Entgrenzung“. Gerade die sozialen Medien spielen eine zunehmend „existentielle“ Rolle im Alltag der Kinder und Jugendlichen, was entsprechende Zahlen aus verschiedenen Studien und Untersuchung belegen.

In diesem Zusammenhang wurde die sogenannte „Marketingorientierung“, als immer noch für die Pädagogik bedeutsam, diskutiert. Es geht hierbei weniger um die Entwicklung des eigenen Potentials, sondern vielmehr um die Frage, wie man sich am besten „verkaufen“ kann. In der weiteren Diskussion wurden einige Beispiele dafür genannt, in welcher Weise sich diese Wettbewerbsorientierung im Alltag unserer Schulen zeigt. Es wurde die Frage angesprochen, ob sich mit den neuen Ausprägungen der Digitalisierung und Vernetzung ein verändertes Grundstreben nach „Selbstbestimmung“ im Gesellschaftscharakter herausbildet, in dem es kaum noch etwas gibt, das begrenzend auf das Individuum wirkt.

Im Vergleich zur Marketingorientierung, die jedoch immer noch eine Rolle spielt, bildet sich unter der digitalen Revolution immer deutlicher eine neue Bestrebung heraus, nämlich, sich möglichst selbstbestimmt zu erleben. Statt des früheren Begriffs der Ich-Orientierung kann heute der Begriff des „selbstbestimmten Charakters“ diesen Umstand besser beschreiben. Der Reiz der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung besteht darin, sich immer neu zu „bestimmen“ sowie Grenzen und Begrenzungen aufzuheben. Seine eigene „Begrenztheit“ kann der Mensch mit seinen ihm zur Verfügung stehenden digitalen Mitteln leicht überschreiten.

Wir erleben derzeit eine fundamental rasante Entwicklung und Veränderung, die es Historikern zufolge, so in der Geschichte der Menschheit noch nicht gab.

Entscheidend in dieser Diskussion ist die Fragestellung, an welcher Stelle wir diese Technik nutzen und wo wir erkennen können, dass diese Entwicklung uns gefährdet? Wo erleben, bzw. haben Kinder und Jugendliche heute noch die Möglichkeit, dass sie aus eigenem Antrieb aktiv werden können, selber etwas schreiben und verfassen, gestalten und ihre eigene Phantasie entwickeln können?

Was ist eigentlich das gesellschaftlich „Gesollte“? Sollen wir technologisch immer auf dem neusten Stand sein? Immer mittendrin im Wettbewerb sein? In diesem Kontext taucht auch der Begriff der „genormten Kindheit“ auf. Was brauchen Kinder heute, um diesen Gefahren zu entgehen?

Zweiter Teil: Entgrenzungsstreben in der Erziehung heute

Zu Beginn des zweiten Teils werden die Aspekte der Grundstrebung der „völligen entgrenzten und bindungslosen Verbundenheit“ angesprochen, um danach den Bogen zur Bedeutung dieses Strebens für die Schulpädagogik zu spannen.

Wer wir sind und was wir sein sollen, möchten wir von niemandem mehr bestimmt bekommen. Wir schaffen dies auf zwei unterschiedliche Weisen, nämlich einmal damit, dass wir die Realität neu erfinden, innovativ und aktiv- kreativ sind. Die andere Möglichkeit ist die eher passivere Form, hier ordnen sich die Menschen einer für sie passenden Form/Richtung/Gruppe zu.

Geht die „Selbstbestimmung“ bei Jugendlichen z.B in der Gender Thematik nicht zu weit, wenn diese im Alter von 14 Jahren ihr Geschlecht selbst bestimmen können sollen?

Die technischen Möglichkeiten bieten hier den Menschen nun „wunderbare“ Mittel an, sich selbstbestimmt neu zu erfinden und dabei die eigenen körperlichen, kognitiven, emotionalen und imaginativen Kräfte nicht mehr selbst aktivieren zu müssen. So kam die Frage auf, ob sich mit dieser Entwicklung der sich stets neu „definierenden“ Menschen, diese sich nicht in eine völlige Anhängigkeit von der digitalen Technik begeben? Werden wir nicht immer mehr angehalten, uns mit Hilfe der technischen Kreativität zu „formen“, anstatt aus eigenen Kräften heraus?

ChatGTP und co. sind die neuen Medien, die es letztendlich gilt zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen, wo sie uns als Mensch in unserer Entwicklung schaden und wo sie uns nutzen. Der Maßstab ist dabei immer die psychosoziale Entwicklung des Menschen, also wo und in welcher Art diese technischen Möglichkeiten uns im menschlichen Miteinander förderlich sind, also unsere menschlichen Fähigkeiten unterstützen, sein Gegenüber in seinen positiven wie auch negativen Seiten wahrzunehmen und unsere eigenen kognitiven, sozialen, emotionalen und imaginativen Kräfte weiter auf- und auszubauen. Und wo werden diese Fähigkeiten immer mehr durch technische Möglichkeiten ersetzt, so dass und unsere ureigenen menschlichen Fähigkeiten dadurch allmählich verkümmern?

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Pädagogik heute? Zunächst gilt es zu erkennen, dass es Ziel des kapitalistischen Systems ist, uns in diese Form der Abhängigkeit zu führen, unsere eigenen mentalen Kräfte nicht weiter aktiv einzusetzen, sondern zunehmend darauf zu verzichten und anstatt dieser Eigenkräfte, die technischen Möglichkeiten zu nutzen. Ein Beispiel dafür ist die, für Jugendliche existentielle, Abhängigkeit der Nutzung des Handys.

So gilt es nun als Konsequenz dieser erkannten Zusammenhänge für den Bereich der Pädagogik zu prüfen, wo und in welcher Weise Räume und Bereiche geschaffen werden können, in denen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit erhalten, selber zu denken, zu fühlen, kreativ zu sein und zu phantasieren, um sich letztendlich als selbstwirksam und im Austausch mit den anderen erleben zu können.

So kamen wir zu dem Thema der nächsten Sitzung: „Pädagogik und Weltverhältnis“ Es geht dabei vor allem um Spielräume im Regelsystem: Wie können Räume und Bereiche im Schulsystem geschaffen werden, in denen Kinder die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen kognitiven, emotionalen, kreativen Kräfte ohne technische Abhängigkeit zu erfahren sowie auf- und auszubauen?

Neuer Termin: Samstag, 12. Oktober 2024 um 10:15 Uhr im Erich-Fromm-Institut. Interessierte sind herzlich eingeladen. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Koordinatorin bzw. den Koordinator des Arbeitskreises:  Doris Uhde, DE-72766 Reutlingen; E-Mail: doris@uhde.at oder  Dr. Christian Weingärtner, DE-72119 Ammerbuch; E-Mail: c.weingaertner@gmx.net.

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