Verleihung des Erich-Fromm-Preises 2016 an Christel und Rupert Neudeck
am Mittwoch, 6. April 2016, 18 Uhr im „Weißen Saal“ des Neuen Schlosses in Stuttgart
Sicher beeinflussten die Bilder von den großen Flüchtlingsströmen die Entscheidung der Jury, den Erich Fromm-Preis im Jahr 2016 dem Ehepaar Rupert und Christel Neudeck für ihr Leben für Flüchtlinge zu geben. Dass einem Ehepaar der Preis verliehen wird, ist zwar in der Geschichte des Fromm-Preises ein Novum. Bei näherem Hinsehen wird aber schnell deutlich, dass Rupert Neudeck seinen immensen Einsatz nie hätte leisten können, wenn seine Frau Christel nicht mit eigenen Ideen und tatkräftig all die Projekte mitgetragen hätte.
Wie sehr das Ehepaar „mit ihrem Engagement Hervorragendes für den Erhalt oder die Wiedergewinnung humanistischen Denkens und Handelns im Sinne Erich Fromms geleistet haben und leisten“, wie dies die Satzung des Fromm-Preises vorschreibt, zeigen ganz augenfällig ihre eindrucksvollen Initiativen – von der Rettung Tausender vietnamesischer Bootsflüchtlinge mit der Cap Anamur über die Gründung der Grünhelme bis hin zu ihrem Eintreten für die Interessen der Palästinenser als Flüchtlingen im eigenen Land, ganz zu schweigen von den aktuellen Alltagseinsätzen des Ehepaars angesichts der sogenannten „Flüchtlingskrise“.
Die Sensibilität für ein Leben auf der Flucht und als Flüchtling hat bei Rupert Neudeck sicher ihre Wurzeln in der Kindheit, als er als Sechsjähriger im Januar 1945 mit seiner Mutter und vier Geschwistern aus Danzig fliehen musste. Das Verlassenmüssen des heimischen Bodens spielte im Leben Fromms zwar erst im Erwachsenenalter eine Rolle. 1934 floh Fromm vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten, weil er als gebürtiger Jude und bekennender Marxist in Deutschland um sein Leben bangen musste. In den Jahren bis 1940 besorgte Fromm Dutzenden von jüdischen Verwandten ein Affidavit und bürgte für ihr finanzielles Auskommen, damit sie Deutschland noch verlassen konnten. Was es heißt, nicht mehr fliehen zu können und keine Fluchthilfe mehr leisten zu können, hat Fromm dennoch erfahren: Viele der zahlreichen Verwandten starben in den Vernichtungslagern der Nazis oder wurden in ihnen umgebracht.
Die Erfahrung, sein Leben durch Flucht retten zu müssen, hat sich tief in das Denken und Wirken Erich Fromms und in das von Christel und Rupert Neudeck eingeprägt. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie mit dieser Erfahrung biophil, das Leben liebend, umzugehen imstande sind. Sie fühlen sich gedrängt, sich an die Seite derer zu stellen, die ihr Zuhause verlassen mussten und die auf der Suche sind, um ihr Bedürfnis nach Verwurzelung andernorts befriedigen zu können. Für Erich Fromm zählt dieses Bedürfnis nach Verwurzelung zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Die Verleihung des Fromm-Preises 2016 an Rupert und Christel Neudeck will ein Zeichen setzen für dieses Grundbedürfnis und für das daraus ergebende Asylrecht.
Texte der Preisverleihung
Medienberichte zur Verleihung des Fromm-Preises 2016
Zu unserer besonderen Freude konnten wir als Laudator den langjährigen Bundestagspräsidenten, Dr. Wolfgang Thierse, gewinnen. Die mit der Preisverleihung verbundene Erich Fromm-Lecture hielt Dr. Rupert Neudeck.
Die Verleihungsfeier fand wieder im Stuttgarter Neuen Schloss statt.
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Begrüßung – Helmut A. Müller
„Ruhe sanft” (aus Zaide von Mozart) – CORNELIA LANZ und ESTHER JACOBS‐VÖLK
Rede auf die Preisträger – Dr. Wolfgang Thierse
Übergabe des Preises
„Fluchtmelolog“ (aus Zaide von Mozart) – ZAHER ALCHIHABI
Pause
Fahrkartenmelolog – AYDEN ANTANYOS
Erich Fromm‐Lecture 2016 – „Differenzierungen im Begriff Pazifismus“ – Dr. Rupert Neudeck
„Tiger, wetze nur die Klauen“ – (Arie aus Zaide von Mozart) – CORNELIA LANZ und ESTHER JACOBS‐VÖLK
Verabschiedung
Mitwirkende: ZAHER ALCHIHABI (Syrischer Schauspieler) AYDEN ANTANYOS (Irakischer Schauspieler) ESTHER JACOBS‐VÖLK (Tänzerin aus Nigeria) STEPHEN HESS (Klavier, Staatsoper Stuttgart) CORNELIA LANZ (Mezzosopran)
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