Karl Popper:

Freiheit und intellektuelle Verantwortung

(Rezension von Joachim Koch)

Viele Ideen des berühmten Wissenschafts- und Demokratietheoretikers Sir Karl R. Popper (1902-1994) sind auch heute noch bedenkenswert. Das ganz besondere dieses Buches mit 24 Aufsätzen aus sechs Jahrzehnten ist das Nachwort des Herausgebers, der die Aufsätze Poppers nicht kommentiert, weil er der Meinung ist, dass sie alle für sich sprechen.

 

Aber er weist auf ausgewählte biografische Details aus Poppers Leben hin und geht auf einige Besonderheiten ein, die seiner Meinung nach in den vergangenen Jahrzehnten deutlich mehr Beachtung sowie politische Umsetzung verdient hätten als sie tatsächlich bekamen.
Popper hat immer wieder betont, dass er der Auffassung ist, dass wir im Westen in der besten aller Welten, von denen wir historisch wissen, leben. Diese Auffassung hat ihn in den Augen der politisch Progressiven für immer zum Erzkonservativen und Ewig-Gestrigen abgestempelt, völlig zu Unrecht, wie der Herausgeber beteuert, denn diese triviale Behauptung, wenn man sie ihm nur abnehmen könnte, hätte viele positive Konsequenzen. Popper wollte damit nicht zur Selbstzufriedenheit auffordern, sondern zur Aktivität anregen, um die heutige Welt von Übeln zu befreien. Jede neue Generation sieht natürlich eher die Probleme ihrer eigenen Zeit und empfindet sie als drängender als die längst entschärften Probleme der Vergangenheit.
Mit westlicher Gesellschaft meinte Popper eine offene, reformfreudige und kritische Gesellschaft, was, wenn er dies so deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, zu einer Entschärfung des Konflikts geführt hätte. „Wir dürfen die politische Freiheit nicht wählen, weil wir uns ein bequemeres Leben versprechen, sondern weil sie selbst einen letzten Wert darstellt“, schreibt Karl Popper in seinem Aufsatz mit dem Titel „Zum Thema Freiheit“ aus dem Jahr 1958. Popper war in diesem Sinne kein Konservativer, weil er nicht den Wandel in der Welt aufhalten wollte und wie Konservative sich auf bestehende Problemlösungen beschränken. Gegen die Resignation hat er immer wieder betont, dass die Zukunft offen ist und dass Probleme grundsätzlich lösbar sind. So hat er sich als einen Optimisten bezeichnet und seinen Optimismus mit der Gegenwart verbunden, denn die Zukunft hat er als nicht vorhersagbar gesehen und damit jede Form von Prophetie abgelehnt.
Aus Ablehnung von jeder Form von Dogma hat er sich für den Pluralismus, den faktisch gelebten Meinungs- und Religionspluralismus eingesetzt. Denn das war Poppers Perspektive, dass Ideologien, Religionen oder irgendwelche Gruppierungen darauf beharren, dass sie die Wahrheit besitzen. Er dagegen hatte die Grundüberzeugung, dass es immer wieder so sein könnte, dass der andere recht und man selber unrecht haben könnte. Für Popper ist dieser Satz der Inbegriff seines kritischen Rationalismus als Lebensweise. Dieser Praxis liegt die wissenschaftstheoretische Erkenntnis zugrunde, dass wir die Wahrheit besitzen und aussprechen können, uns aber niemals sicher sein können, dass es tatsächlich die Wahrheit ist. Kinder werden zu Pluralismus und Toleranz erzogen und zur Verabscheuung von Grausamkeit und sie können gelehrt werden, dass man die Wahrheit nicht fühlen kann, sondern dass sie vom Nachdenken abhängt und von Argumenten: In kritischen Diskussionen kann man ihr gemeinsam näher kommen.
In den im Buch versammelten Aufsätzen geht es auch immer wieder um das Thema Freiheit. Für Popper sind Freiheit wie auch Frieden Werte, die auf jeden Fall verteidigt werden müssen. Weitere Aufsätze befassen sich mit der Kritik des Kommunismus, der Geschichtsschreibung allgemein und dem Sinn von Geschichte, der furchtbaren Irrlehre des Nationalismus und der moralischen Verantwortung des Wissenschaftlers.
Popper hat die gegenwärtige Demokratie verteidigt, aber davor gewarnt, sie als Volksherrschaft zu sehen, denn jede einzelne Person aus dem Volk weiß, dass er oder sie nicht herrscht und könnte damit die Demokratie als einen Schwindel bewerten. Popper sah die Demokratie als Volksgericht, am Tag der Wahl muss eine Absetzung der Regierenden möglich sein. Aber er hat Demokratie nicht nur als Abwahldemokratie konzipiert sondern auch als Kontrolle der Macht. Höchste (unrealistische) Ansprüche an demokratische Beteiligungsprozesse hat er nie gestellt.


Karl R. Popper: Freiheit und intellektuelle Verantwortung. Gesammelte Werke in deutscher Sprache Band 14. Herausgegeben und teilweise neu übersetzt von Hans-Joachim Niemann. Tübingen (Mohr Siebeck) 2016, 467 Seiten, 104 Euro; ISBN: 978 316 152744 9.


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